Anreise und Ankunft in Santa Cruz

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Am 6. August wachte ich morgens auf und lag erst einmal ca. 5 Minuten quasi paralysiert im Bett und starrte an die Decke. Es war der Tag, an dem mit größter Wahrscheinlichkeit mein bisheriges Leben enden und ein neues beginnen würde. Und in diesem Augenblick war ich mir dessen vorübergehend bewusst. Danach allerdings verflog dieses Gefühl, so schnell wie es gekommen war, und ich ging meiner Wege. Es kam auch nicht am Nachmittag am Flughafen zurück, wo sich ein erheblicher Teil meiner Familie zur Verabschiedung versammelt hatte, nicht beim widerlichen Coffee-Caramel-Frappe von McDonald’s in Terminal 2 und auch nicht bei der endgütigen Verabschiedung aller derjenigen, die in den letzten Jahren am wichtigsten für mich waren.

Dass es schließlich zu dieser kam, schien nicht zu jeder Zeit an diesem Nachmittag selbstverständlich, da die Angestellten von Air Europa am Check-In-Schalter über weite Strecken der festen Meinung waren, wir Freiwilligen hätten in dem Flugzeug, das uns nach Bolivien bringen sollte, nichts verloren. Kein Visum, kein Flug, kein Freiwilligendienst. Mit vereinten Kräften und einem Anruf des Auswärtigen Amtes konnten sie schließlich vom Gegenteil überzeugt werden und alle Freiwilligen bekamen ihre Boardingpässe. Dennoch kostete diese Episode viele Nerven und Telefonanrufe.

Im Flieger nach Madrid, wo wir dann gen Bolivien umsteigen sollten, kam dann „Who Says“ von John Mayer über die Lautsprecher, das beruhigte mich erst mal. Vor meinem Fenster wurde alles kleiner und ich wurde sentimental. In Madrid saßen wir dann erst mal drei Stunden vor unserem Gate auf dem Boden, da unser Flieger sich irgendwie nicht blicken ließ. Nachdem dann auch noch in letzter Sekunde das Gate geändert wurde, konnten wir schließlich in den Flieger einsteigen, der uns über den Atlantik und nach Santa Cruz de la Sierra, die wahrscheinlich größte Stadt Boliviens, befördern sollte.

Neben mir saß ein Bolivianer, der gefühlt drei Sekunden nach dem Start einschlief und immer nur pünktlich zum Essen aufwachte. Da ich viele Stunden verzweifelt versuchte, ebenfalls einzuschlafen, fand ich das beneidenswert. Daneben saß ein Deutscher, der ebenfalls Freiwilliger in Bolivien gewesen war und nun Freunde in Cochabamba, einer Stadt im Zentrum Boliviens besuchte. Er half mir beim Ausfüllen eines wirklich komplexen grünen Einreiseformulars, von dem uns auch schon auf unserem Vorbereitungsseminar im Juli berichtet worden war. Zudem erzählte er mir von seinem Freiwilligendienst in einem Kinderheim, den er zwar sehr interessant und spannend gefunden hatte, teilweise aber auch verstörend aufgrund der Dinge, mit denen er dort konfrontiert war. Er meinte allerdings, dass das Land Bolivien ihn nicht mehr losgelassen habe, weshalb er auch nun wieder hinreise, und dass ihm das Jahr zu kurz vorgekommen war.

Um 5 Uhr morgens Ortszeit kamen wir schließlich an. Nachdem wir durch die Migración und den Zoll gekommen waren, war es allerdings schon hell. Auf der Busfahrt zu dem Hostel, in dem wir die nächste Nacht verbringen sollten, sammelten wir die ersten Eindrücke von dem Land, das jetzt für ein Jahr unser zuhause sein sollte. Wir sahen Palmen, Läden, einen KFC und Gucci-Werbung. Außerdem noch tausend andere Sachen, die zu erwähnen jetzt vermutlich den Rahmen sprengen würde. Nachdem wir in dem wunderschönen Hostel mit Pool zunächst gefrühstückt hatten, brachen wir auch schon zu einem Stadtrundgang auf, der aufgrund der schwülen Hitze und des fehlenden Schlafs eher anstrengend war. Die Highlights waren ein sehr schöner Platz aus der Kolonialzeit, der kürzlich neu hergerichtet wurde, und ein paar kleine Gässchen, in denen kleine Lederbeutel und ähnliches verkauft wurde. Wie der Gründer unserer Partnerorganisation Hostelling International Bolivia, Max Steiner, uns erzählte, war dieser Platz bis vor kurzer Zeit ein Drogenumschlagplatz. Die Regierung hat aber ein Projekt gestartet und den Platz umgebaut. Dort arbeiten nun einige der ehemaligen Drogenabhängigen.

Mittags haben wir in der Stadt gegessen und einige Informationen zu unserer weiteren Reise bekommen: Schon am nächsten Abend würden wir mit dem Bus in Richtung Sucre, meinem zukünftigen Einsatzort aufbrechen. Vor dem Abendessen saß ich dann noch mit ein paar anderen um den Pool und unterhielt mich mit ein paar besoffenen Uruguayanern, die ihrem heimischen Fußballteam nach Santa Cruz gefolgt waren. Das Gegröle von Fußballfans zumindest klingt anscheinend überall auf der Welt gleich. Zu Abend gab es dann Pommes und Fleisch in verschiedenen Variationen, wobei die Pommes-mit-Schnitzel-Berge, die sich einige Jungs bestellt hatten, wahrscheinlich auch noch für die nächsten drei Tage gereicht hätten.

Überall in Santa Cruz waren noch Relikte des Papstbesuchs im letzten Monat zu sehen, Plakate, Auslagen in Buchläden, Teller und vieles mehr. Da Bolivien größtenteils ein sehr katholisches Land ist, hat dieser Besuch für große Aufregung gesorgt.
Am Ende des Tages fielen wir alle ziemlich k.o. ins Bett.
Übrigens, über Whatsapp bin ich zurzeit nicht zu erreichen, da mein Handy sich weigert, sich mit dem Wlan hier im Hostel zu verbinden. Der nächste Eintrag wird die Busfahrt von Santa Cruz nach Sucre und die ersten Tage hier behandeln.